Bier, Gewürze und Kräuter: die Ursprünge des Würzbiers

Bier ist so alt wie die menschliche Kultur und so ist es normal, dass sich seine Eigenschaften im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende tiefgreifend verändert haben

Die Errungenschaften der Technik haben seine Merkmale grundlegend verändert und heute haben wir eine völlig andere Vorstellung von dem Getränk als noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Neben den technischen Faktoren waren auch die sozioökonomischen Aspekte maßgeblich, die mit der Zeit aufeinander folgten und genauso großen Einfluss hatten.

Gewürze noch vor dem Hopfen

Heute beispielsweise gilt die allgemeine Auffassung, dass das Produkt Bier aus vier Hauptzutaten besteht: Wasser, Gerstenmalz, Hopfen, Hefe. In Wirklichkeit hat sich dieses Konzept erst in jüngerer Zeit auf internationaler Ebene verbreitet: Insbesondere Hopfen hat heute eine wichtige Bedeutung und die Konkurrenz vieler anderer Rohstoffe aus dem Feld geschlagen. Denn in der Vergangenheit war die Zugabe von Gewürzen zum Bier ein Usus, den wir in irgendeiner Weise auch heute noch in verschiedenen althergebrachten Bierstilen wiederfinden, wie dem Blanche oder Saison aus Belgien.

Rezepturen auf der Grundlage aromatischer Kräuter

Seit grauer Vorzeit wurde Bier – oder besser gesagt, das mit unserem modernen Bier vergleichbare Getränk aus vergorenem Getreide – mit diversen Zutaten hergestellt, die ihnen Aroma und ausgewogenen Geschmack (durch ihre bittere Komponente) verleihen und das Endprodukt dank ihrer antiseptischen und konservierenden Eigenschaften haltbar machen sollten. Hopfen war nur eine unter vielen Pflanzen, die zusammen mit verschiedenen Gewürzen die Rezeptur des Bierbrauers bildeten.


Die Liste ist sehr lang und als Beispiele können wir Beifuss, Heidekraut, wilden Rosmarin, Thymian, Koriander, Salbei, Wacholderbeeren, Schafgarbe, echten Kümmel, Lorbeer, Sternanis, Gagel, Wermut und Fichtensprosse anführen. Auch heute noch werden diese Gewürze von Brauern in der ganzen Welt für bestimmte Spezialbiere verwendet, wie das klassische Kerstbier in Belgien oder Spiced Beer allgemein.

Die Kräutermischung Gruit

Ein Großteil der genannten Zutaten stellte eine bestimmte Kräutermischung im Bier dar (deren Zusammensetzung von Betrieb zu Betrieb variierte), Gruit (oder Gruyt oder Grut) genannt, die zu den Grundlagen der Bierherstellung gehörte. Das erste Dokument, in dem die Kräutermischung unter diesem Namen erwähnt wurde, geht auf 999 n. Chr. zurück, als Kaiser Otto III dem Dom St. Martinus in Utrecht die Handelsrechte für den Gruit verlieh. Jedoch belegen mehrere Zeugnisse, dass seine Verwendung bereits in der Vergangenheit geregelt war, auch wenn er damals einfach als materia cervisiae bezeichnet wurde. Der Gebrauch des Gruit unterlag hohen Steuern und aus diesem Grund stellte der Besitz der Handelsrechte einen nicht unerheblichen wirtschaftlichen Vorteil dar.

Der Siegeszug des Hopfens

Der Niedergang des Gruit und der Würzbiere im Allgemeinen setzte ein, als der Hopfen eine immer dominierender Rolle unter den für die Bierherstellung verwendeten Kräutern und Gewürzen einzunehmen begann. Bereits 746 n. Chr. wurde seine ausschließliche Verwendung in den Rezepten des Klosters Weihenstephan dokumentiert: ein Usus, der sich danach in verschiedenen Gebieten Mitteleuropas verbreitete, nicht zuletzt begünstigt durch den günstigeren Preis der Kletterpflanze im Vergleich zu verschiedenen anderen Zutaten. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts gaben die Studien der Hl. Hildegard von Bingen (die Benediktinerin wurde 2012 zur Kirchenlehrerin Doctor Ecclesiae universalis erhoben) weitere Impulse für die Entstehung reiner Hopfenprodukte. Ein entscheidender Schlag für die Verbreitung des Würzbiers kam 1516 mit der Bekanntgabe des Reinheitsgebots in Bayern, das die Zutaten für die Bierherstellung auf Gerste, Wasser und Hopfen beschränkte (mit einer Ausnahme, dem Weizen).

Das Ende der Geschichte ist bekannt…

Allerdings hatten die reinen Hopfenbiere schon vor der Einführung des Reinheitsgebots die Produkte mit Gruit fast vollständig verdrängt. Seit einiger Zeit hatte das Phänomen auch die holländischen Brauereien erfasst, die schon immer als größte Vertreter der Verwendung von Würze galten. Im 19. Jahrhundert eroberte der Hopfen auch eine der letzten Festungen des Würzbiers, nämlich Großbritannien: Lange wurden die Begriffe Ale als Bezeichnung für die traditionellen Produkte (also mit Würze) und Beer für die neuen reinen Hopfenbiere vom Kontinent benutzt. Bereits zu Beginn der industriellen Revolution wurde die Verwendung von Gruit und Würze allgemein völlig verdrängt.


Der Siegeszug des Hopfens wurde nicht nur durch die vorerwähnten sozioökonomischen Gründe bedingt, sondern auch weil er die Eigenschaften verschiedener Gewürze und Kräuter in sich vereint. Er liefert nämlich gleichzeitig besondere Aromen, die bittere Komponente für die Ausgewogenheit des Trunks und antiseptische, konservierende Eigenschaften für das Endprodukt. Trotz des Erfolgs des Hopfens ist die Praxis der Verwendung von Gewürzen und Kräutern im Brauprozess nicht ganz verschwunden, wie die oben erwähnten Biertypen zeigen.